"SELFIE" Foto by Mark Bellinghaus, 2022
eine Kurzgeschichte von Mark
Bellinghaus, nach wahren Begebenheiten
Im Gedenken an Greta Bünichmann
1621 - 1635
Es geschah heute, just an diesem Tage,
vor genau 387 Jahren. Die junge Magd, ausgestattet ohne große
Bildung, da man ihr die Mutter nahm, schon früh in ihrem jungen, und
von großen Qualen bestimmten Leben, hatte Angst. Große,
unbeschreibliche Angst.
Die kleine, unschuldige Greta
Bünichmann wird in einem stinkenden Karren, der von einem lahmenden
Ackergaul gezogen wird, zu ihrem Hinrichtungsort gebracht. Man hört
einige der anderen jungen, weit über 40 Mädchen, die an diesem
23.06.2022 vor den Toren Münsters, in Altenroxel bei lebendigem
Leibe verbrannt werden sollen, wimmern, heulen und vor Todesangst
schreien. Es ist ein Bild, das wir alle lieber nicht sehen, und uns
nicht einmal vorstellen wollen. Was ist der Unterschied zum heute,
hier und jetzt? Da sitzen, auf unsere deutsche Verfassung
eingeschworene Richter und Rechtspfleger, Staatsanwälte und
Juristen, Präsidenten und Direktoren in einer Kantine im Landgericht
Münster, und es gibt etwas, was alle diese gebildeten, die schlauen
und diese einen kleinen Reichtum, Monat für Monat verdienenden
Würdenträger, vereint.
Die Lust am quälen. Die Ablehnung. Der
Hass. Auf einen Menschen nur: mich.
Wie nur, und das
frage ich Euch alle, wie wollt Ihr es dem Leser nur erklären, oder
dem Zuschauer, auf Youtube, etc., wenn ich damit beginne Namen
vorzulesen. Alle diese vielen Namen von Richtern, Richterinnen, die
mein Leben absichtlich schändeten mit dem Spruch: „Im Namen des
Volkes“ welcher für eine Pruß-Steinigeweg, einen Künneth
ganz besonders, einen Kühn, einen Kowalski, einen Bischoff, eine
Siegemeyer, einen Barton, eine Saglam, eine einen, ach die List ist
so lang, und kommt die List von Liste, so bin ich bei Euch gerade
recht. Ihr zeigt mit Euren manikürten, wohl gepflegten Fingern auf
mich. Ich bin das Enfant Terrible, der „Irre“ dieser
Stadt, ja, sogar das habt Ihr geschafft, mit Eurer Macht. Und doch,
wie war es möglich, dass ich heute, vor genau einem Jahr, an Gretas
traurigen Tage ihres brutalen Todes, die 4 lügenden Zeugen besiegen
konnte, wo mein eigener Advokat, der im Tiefschlaf zu sein schien,
begann, nichts zu tun für mich.
Ein Himmel tat sich
auf, man entschloss sich gnädig zu sein, zu der armen Greta, denn
sie war ja nur die Tochter der „Hexe“ die man schon vor Jahren
tötete. Es sah an diesem Tag nach Regen aus, das hätte die Flammen
gestört, doch der Teufel hatte Glück an diesem Tag. Ein paar
Schaulustige trieben sich herum, vor dem Münsteraner
Hinrichtungsort. Dem Galgenberg, wo die Scheiterhaufen standen schon
bereit. Der Reisig wuchs, und hatte keine Ahnung, dass er mal
genommen würde, und die Unschuld zu vernichten. Greta nahm ihr
Schicksal mit erstaunlicher Fassung. Man hatte ihr ja bereits alles
schon genommen. Was, außer ihr nacktes Leben, sollte denn da noch,
von dieser Obrigkeit zu holen sein? Es war die Macht, die Macht der
gelangweilten Anführer dieser kleinen Stadt mit Wall und Kirchen.
Kirchen über Kirchen, wo gezahlt wurde, um Sünden zu erlassen. Man
brach Ihr den Hals, und so wurde ihr der Tod durch das Feuer erspart.
Einfach so ist diese kleine Stimme gestorben. Was hat Sie Euch nur
hinterlassen, dass Ihr das Gleiche tun wollt nun mit mir, mit dieser
„Zwangsenteignung“ - wo Ihr alle doch ganz genau wisst, dass ich
komplett unschuldig bin, wie eben eine Greta Bünichmann. Aber das
wollt Ihr alle nicht hören, so besessen seid Ihr mit Eurer Arbeit,
mich auf Trab zu halten, dass ich schreiben, schreiben, schreiben
muss.
Es reicht Euch
nicht, die Qualen die ich mit 6 Jahren, jünger als halb so alt wie
Greta am Tag ihres Todes war, erleiden musste. Dass man mich im Namen
Gottes bestrafte, das ist Euch egal, Ihr denkt es muss so sein, und
der hätte es ganz sicher so verdient.
Ihr wisst es ganz
genau, und deshalb hat Ihr alle auch so viele Fehler gemacht, die
auch keine Abladung, Umladung, Aufladung, Überladung oder Verladung
wieder gut machen könnte.
Jetzt macht Ihr
kurzen Prozess, und Ihr habt ja schließlich lange genug daran
gefeilt. An meiner Obdachlosigkeit. Meiner Angst. Angst wie Greta sie
haben musste, denn auch Greta kannte nur durch ein Tier was bei ihr
leben durfte. Mein Tier war mein Hund „Monroe“, und der zeigte
mir, was bedingungslose Liebe heißt. Er ist im hier und jetzt. Er
ist zu einem Kunstobjekt geworden, denn er ruht seit bald 10 Jahren
schon im Eis. Geblieben im Äußeren, wie gerade erst von mir
gegangen. Was mach ich nun, mit meinem treuen Freund? Der Nacht für
Nacht in meinem Armen schlummerte, zuckte wenn er träumte. Auch
diese Liebe, bis weit über seinen Tod hinaus, die wollt Ihr alle mir
nun rauben. Das macht Euch Spaß. Es geschah dann so in meinem Traum,
in dieser letzten Nacht, der Nacht auf Gretas Todestag, dass ich mich
selber sah, in Eurer hohen Kantine, hoch über der Stadt im
Backsteinbau des Landgerichts. Ich trug meinen einzigen Strellson,
den teuren Zwirn aus besseren Tagen. Und da saßt Ihr alle. Wenn
Blicke tatsächlich töten könnten, ich wäre noch vorm betreten des
großen, langgezogenen Speisesaals, wo man täglich die Wortfetzen zu
Mittag vernimmt. Manchmal sogar lautes Gelächter. Und so fasste ich
mir ein Herz und trat ein. Die Stille die den Saal überkam, wirkte
sogar auf mich selber gespenstisch und erschreckend, obwohl Ihr alle
denkt, ich stamme doch vom Teufel höchstpersönlich ab. Auf meinem
Weg zum einzigen freien Tisch, da öffnete sich eines dieser großen
Fenster und ein warmer Wind bließ mir einladend in Gesicht und über
mein Haupt. Es schien, als würde der Wind mir leisen Worte in mein
Ohr hauchen, Worte wie: „Komm, oh komm doch und befrei Dich endlich
selber! Tu es jetzt, tu es vor diesen Wesen, die nichts anderes sehen
wollen, als Dich tot!“ Spring in Deine Ruhe, Dein Glück, Deine
Wiedergeburt und all das, was diese hassenden Bürger dieser Stadt
der Hexenverbrennungen, nicht mehr haben. Nie hatten, und niemals
haben können!“ Ja, dachte ich, das ist eine geniale Idee. Gebe ich
Ihnen allen einfach, was Sie sich wirklich wünschen, und warum ein
Nölke, Hagemann, Schmidt, Vahrenbrink, Raffenberg, natürlich auch
der König und der Exner, zusammen arbeiteten, mich für „verrückt“
erklären wollten, nur, damit man mich endlich endlich bald für
immer los ist. Ich bin der starken Schmerzen, sei meinen Kindertagen
mit 6 Jahren, so müde. Seit ein Messer zweimal in meine Brust stach,
und ich fast verblutete, da habe ich auch keine Angst mehr vor
„Bruder Hein“ er könnte mir ja sogar großen Dienst leisten.
So stellte ich mein
Essen ab, und die vielen vielen Augenpaare beobachteten jeden meiner
Atemzüge, die ich tat. Bloß nicht auffallen, dachte sich jeder. Und
so stieg ich entschlossen an das offne Fenster, obwohl ich niemals
schwindelfrei war, und stand nur da, ich stellte mir vor, wie schnell
es dauern würde, bis ich unten aufprallen würde, wie mein Körper
danach aussehen würde, und was ich wohl mit meinem Einschlag kaputt
machen könnte. Keiner von Euch machte auch nur die Anstalten mich
aufzuhalten. Nein. Ganz im Gegenteil, denn plötzlich, wie in einer
schlechten Karaoke Bar, fing der Mob an zu brüllen: „Spring!
Spring! Bitte spring doch! Spring.“
Ja, dachte ich,
sehr gute Idee, und wenn diese Bürger es so wollen dass ich sterbe,
denn Todesstrafen konnte niemand dieser Mächtigen mehr über mich
beschließen, so wollte ich Euch geben was Ihr sehen wolltet.
Ich nahm mir mein
vergrößertes Herz, was mir mit jedem Atemzug sowieso Schmerzen
bereitet, und ich stieß mich ab vom Fenster, denn nun endlich,
sollte ich Euch alle für immer, ja für immer verlassen. Doch dann
beging ein Orgelspiel wie in einem wunderbaren Märchen. Ein Märchen
das mich glücklich machte, und mir half, den Kindesmissbrauch in der
Kirche, für einen Moment zu vergessen. Ich lächelte sogar, so nah
meinem Ableben, und ich hatte Freude. Freude an meinem eigenen Tod.
Wie kann das sein? Dieses wunderbare, durch deinen gesamten Körper
kriechende Orgel, es erinnerte mich an die Macht, die ich spürte,
das Schreien der großen Glocken des Domes, dieser wunderschönen
Stadt. Ich sagte laut und deutlich zu allen die mich für Jahre so
sehr hassten, wie nichts und niemanden auf dieser Welt; „Adieu, ich
muss nun geht, wir werden uns nimmer wiedersehn!“ Und so sprang ich
aus dem höchsten Stock, und kniff dabei die Augen zu, hoffend es
würde schnell sich tun, das mit dem Sterben.
Doch was geschah?
Es war gar sonderbar, denn nein, ich fiel nicht hinab in meinen Tod,
denn Ihr alle ward Zeugen dieses meines allerletzten Schauspiels,
denn in Windeseile, schneller als man es erahnen konnte, da sprießen
mir Flügel aus meinem Rücken. Und das war der Grund, warum ich
nicht fiel, sondern stieg. Ich stieg zum Himmel auf, zu meinem
Herren, der mein Flehen endlich, endlich doch erhörte, und es war so
schön, so blau, alles in blau, helles blau und dunkles, es roch so
gut, wie tausend guter Düfte aus meiner Jugend, als ich die Parfum
Tester Fläschchen sammelte. Ich hatte keine Schmerzen mehr und mir
war auch nicht mehr Angst und Bange vor dem 07.07.2022, wo ich dieser
Stadt ganz offiziell vorgeführt und dem Spott ausgesetzt werden
soll. Wo ich alles verlieren soll, damit ich diese hämischen
Kommentare der Fremden, weiterhin ertragen muss. Die Zeit stand still
und ich vergesse nie, wie Ihr alle da saßt, mit offenen Mündern und
Augen so weit, wie nie zuvor in dem was Ihr selber alle Leben nennt.
Ihr werdet mich niemals vergessen. Nie.
"Fantasy" by Mark Bellinghaus, 2022
These 1 an der Domtür zu Münster, Foto by Mark Bellinghaus, 2022
Mein Schreiben an den Bischof von Münster, Felix Genn, an der großen, schweren Metalltüre des Paulus Doms zu Münster, 20.06.2022/21.06.2022
Er hat sich offiziell bei Missbrauchsopfern öffentlich entschuldigt, hat aber keinerlei Anstalten gemacht, mein Flehen nach Gerechtigkeit, bzw. diese menschenunwürdige und nur auf kriminellen Absprachen gründende Zwangsräumung, die mir am 07.07.2022 droht, abzuwenden.
Ein Kindesmissbrauchsopfer der Kirche fleht einen Bischof an, und dieser stellt sich einfach taubstumm.
Und das schockiernde: Experten schätzen, dass seit 1945 ca. 5.000 bis 6.000 Jungen und Mädchen im Bistum Münster alleine, von Priestern und Würdenträgern sexuellen missbraucht wurden.
Das ist so viel, wie eine Kleinstadt an Einwohner hat. Unfassbar, aber leider jedoch wahr.
ART = LIFE, by Mark Bellinghaus, 2022